Gastbeitrag von Radio- und Medienprofi Christian Panny
Interviews sind die Königsdisziplin. Vor Kurzem habe ich ein Interview gehört, das für die befragte Politikerin in meinen Ohren schiefgelaufen ist. Zwar konnten hinter formellen Punkten wie präzises Antworten oder richtige Grammatik Häkchen gesetzt werden. Doch ein essentieller Punkt blieb unerfüllt: Authentisches und überzeugendes Vortragen. Leider verpufft mit vorformulierten Antworten die große Chance, mit der freien, persönlichen Rede als Person greifbar zu sein und inhaltliche Vorgaben mit Leben zu erfüllen.
Frei zu sprechen erfordert Mut und gute Vorbereitung – du willst ja nichts Falsches sagen oder dich verhaspeln. Die freie Rede bringt dir aber auch einen großen Vorteil: Nichts ist so authentisch und überzeugend wie ein natürlicher Redefluss. Seien wir mal ehrlich: Wer hört schon gerne einem steifen Gespräch zu?
Mit diesen 3 Tipps schaffst du dir aus einer ausformulierten Textvorlage eine Basis für deine freie Rede.
1) Botschaft first, Text second
Der Wortlaut des Textes soll als grober Plan dienen, nicht als fertige Route. Eine Rede funktioniert ähnlich wie ein Riesentorlauf: Jedes Tor markiert einen Schritt deiner Argumentation. Um gut ans Ziel zu kommen, müssen natürlich alle Tore passiert werden. DEN siegessicheren Weg von Tor zu Tor gibt es nicht. Manche LäuferInnen fahren die Tore extrem direkt an, andere wählen eine etwas weitere und rundere Linie. Manchmal will man das Tor eng anfahren, muss den Weg aber in letzter Sekunde ein wenig ändern. Es gibt viele Möglichkeiten, von Tor zu Tor zu kommen. Genau das streicht den persönlichen Stil heraus, der die freie Rede authentisch macht.
2) Aktiv statt Passiv
Substantivierungen sind unpersönlich – also genau das was man in der persönlichen, freien Rede vermeiden möchte. Wieso „die Verhandlung“, wenn DU verhandelt hast? Wieso „die Veränderung“, wenn DU persönlich verändern willst? Mit passiven Formen nimmt man als RednerIn das Leben aus dem Satz. Eine „Verhandlung“ hat niemanden, der verhandelt. Und bei einer „Veränderung“ ist nichts verändert worden. Mit aktiven Formen und persönlichen Pronomen gibst du Inhalten ein Gesicht. Dadurch wirst du von ZuhörerInnen als jemand wahrgenommen, der etwas zu sagen hat und nicht bloß etwas verlautbart.
3) Relativsätze in der Rede vermeiden
Das bedeutet, so viele Beistriche wie möglich wegzulassen. Dafür wandelst du in deiner Textvorlage Relativsätze und Einschübe in Hauptsätze um. Damit ist es für das Publikum leichter, deinen Ausführungen zu folgen. Außerdem bemerkst du hier schnell, welche Aussagen wirklich wichtig sind. So manche Sätze entpuppen sich als inhaltliche Leerposten, die du getrost weglassen kannst.
Abschließend gilt als goldene Regel: Sei die Art von RednerIn, der du selber gerne zuhörst. Nur weil sich etwas am Papier gut liest, funktioniert es nicht automatisch auch vorgetragen. Eine überzeugende, freie Rede muss authentisch und lebendig sein.